Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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30. Mai 1999 - Trinitatis - Jesaja 6,1-13
Susanne Jensen

Liebe Gemeinde!
Mein Vater hat mir viel von seiner Jugend im Münchner Westend erzählt.
Er wohnte mit seinen Eltern und Geschwistern 
in einem Mietshaus an der Bergmannstraße, Nähe Gollierplatz.
Aus seinen Erzählungen erspürte ich Fremdes, Erstaunliches.
Da gab´s noch kein Fernsehr,  - nur Radio und Kino. 
Seine Mutter, „die Mama“, hatte während der Arbeit besonders gerne
gesungen, unter anderem auch Lieder von Joseph Schmidt:
„Ein Lied geht um die Welt.“, „Wenn du jung bist, gehört dir die Welt“
„Ein Stern fällt vom Himmel“ und „Heut´ ist der schönste Tag in meinem Leben.“
Diese Lieder des berühmten jüdischen Tenors gingen um die Welt -
Joseph Schmidt eroberte sich auch die Opernbühne.
Doch auf Grund seiner jüdischen Herkunft war ihm kein langer Erfolg beschieden.
Seine Flucht vor den Nazis endete im November 1942 im Internierungslager
Girenbad bei Hinwil im Kanton Zürich. Er starb 38 jährig an Herzversagen.
Jahre später bin ich auf eine Ton-Aufnahme aus dem Jahre 1929 aufmerksam geworden:
Joseph Schmidt sang: „Aus jeglichem Munde erschallet der Ruf.“
Eine „Heiligung Gottes“ nach der Komposition von Lazarus Lewandowski.
Im Wechselgesang wird Gott vom Chor und Kantor in höchsten Tönen gelobt:
- Aus jeglichem Munde erschallet der Ruf - zum Lobe des Ewgen, der Alles erschuf.
- Es jauchzet und jubelt der himmlische Chor - es tönt von der Erde zum Himmel erpor.
- Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth - alle Lande sind seiner Ehre voll.
Dieser religiöse Lobgesang ist bestimmt für den Synagogengottesdienst.
Dort ist die erste und bleibende Heimat des Dreimalheilig. 
Seine zweite Heimat findet das „Heilig, heilig, heilig, ist der Herr Zebaoth ...“ bei uns 
Christen.
Wie unsere jüdischen Schwestern und Brüder, 
stimmen wir mit den gleichen Worten den Lobgesang Gottes an. 
Doch hat die christliche Kirche diesen Ruf mit der Zubereitung des Abendmahls verbunden.
Ein Lobgesang für den Erlösergott, der uns seine Gnade und Liebe in und durch Jesus 
Christus zeigt.

Gottesdienstliche Worte - wie kommen die Worte in den Dienst?
Sie werden überliefert von einem ausgewählten Dienstmann Gottes,
dem Künder Jesaja - dem großen Profeten des Südreiches Juda, 
der wirkte im 8. Jarhundert vor Christus.
In Zeiten drohenden Krieges und gesellschaftlicher Unruhe
versuchte Jesaja göttliche Botschaften an den Mann zu bringen.
Er verkündigte ein- und aufdringlich in den Straßen und auf den Plätzen  Jerusalems. 
Seine Sprache leuchtete kräftig und klar - vom Geist Gottes angestachelt.
Wehe dem sündigen Volk, dem Volk mit Schuld beladen,
dem boshaften Geschlecht, den verderbten Kindern,
die den Herrn verlassen, den Heiligen Israels lästern,
die abgefallen sind! - 
Wie geht das zu, daß die teure Stadt zur Hure geworden ist?
Sie war voll Recht, Gerechtigkeit wohnte darin, nun aber - Mörder.
Die Stadtoberen wollte er aufrütteln und dem König auf die Nerven gehen.
König Ahas sollte sich´s gut überlegen, ob er mit dem Assyrerkönig
Tiglatpileser III. einen Pakt gegen den Bruderstaat Israel schließt.
In dieser Zeit entstand der Bericht Jesajas über seine Berufung.
Ja - wie war das, als er Gott begegnete?
Sein Weg führte ihn zum jerusalemer Tempel, 
in die Nähe des Allerheiligsten - der heiligen Lade gefüllt mit Gottes Wort.
Für ihn kein ungewöhnlicher Gang, denn er war ja fromm und weise dazu.
An diesem Tage war Jesaja ganz Auge, sein Bewußtsein war geöffnet für
eine Begegnung besonderer Art.
So geschah ihm die Gottesschau - die Tiefenschau in die 4.Dimension.
Profetisches Sehen läßt sich nicht mit normalem Sehen vergleichen.
Der Sehende wird von Gott erwählt hinzu zu treten in die Gegenwart Gottes.
Dies geschah Mose am Dornbusch, Elia am Horeb 
und nun Jesaja im Tempel zu Jerusalem.
Jesaja wird entrückt in ein königliches Szenario: 
er steht vor einem riesigen Thron auf dem der Allherr, 
Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, Platz nimmt.
Dort spürt er die Ewigkeit, wie sie sich mit Macht in die Weltzeit drängt.
Wie sieht er aus? - nicht in Worte zu fassen, er sprengt alle Vorstellungen,
jedes Bild: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; 
denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 
So hatte Mose nur Gottes Hinterteil, bzw. seinen Rücken gesehen.
Jesaja mußte sich mit einem Zipfel seines Gewandsaums zufrieden geben, 
derart imponierend trat Gott auf.
Unser politischer Profet ist mitten in einen Gottesdienst geraten,
einen Gottesdienst in dem Gott von herumflatternden Engelwesen angebetet wird.
Die fliegenden oder besser schwebenden Serafen bedecken Augen und Schamgegend
und rufen sich im Wechsel zu:
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.
Gottesdienstliche Worte - wie kommen die Worte in den Dienst?
Die Engel dienen - sie singen so eindringlich, 
daß das Tempelgebäude wackelt  und die Schwellen beben. -
Das fascinierende Erlebnis wird für Jesaja zum Alptraum -
Heilig ist Gott - und der Heilige, der Weltenrichter, thront vor ihm.
Jesaja kennt sich - kennt seine dunklen Seiten, seine Abgründe. 
Ich bin Mensch - Weh mir, ich vergehe! - Ich bin Mensch.
Er sieht in sich hinein und es schießen ihm Gebetsfetzen aus Gottesdiensten durch den Kopf:
Unser Gott und Gott unserer Vorfahren, laß unsere Gebete dich erreichen ...
Sei nicht taub für unsere Bitte um Erbarmen ...
Gott, du bist uns so fern - was könnten wir in deiner Gegenwart sagen?
Gott, du bist uns so hoch überlegen wie der Himmel über uns -
was könnten wir dir erzählen? 
Doch dir ist alles Geheime und alles Offenkundige bekannt ....
Jesaja stöhnt und bekennt laut: Ich habe unreine Lippen
und lebe unter einem Volk von unreinen Lippen.
Seine Lippen werden rein.
Der Engel legt die Greifzange mit der glühenden Kohle auf den Altar zurück -
Eine brennende - entsühnende Berührung. 
Diese Berührung bleibt Jesaja  lange im Gedächtnis.

Die Szene wird undurchsichtiger, der Thronsaal füllt sich mit Qualm
und Jesaja ist ganz Ohr - er hört die Stimme seines Gottes:
„Wen soll ich senden?“ Jesaja ist bereit - er will in den Dienst des Herrn treten.
„Hier bin ich, sende mich!“ 
Er verpflichtet sich für Gott zu gehen, zu sprechen und anzustoßen, 
er verpflichtet sich zu gehen. Er geht für den Ewigen, heiligt seinen Namen und 
bereitet seinen Weg - er geht für den eigentlichen Helden der Geschichte, für Gott.
Was ihm aufgetragen wird - es ist schrecklich.
„Verstocke das Herz dieses Volks ... 
sie sollen den verborgenen Gott, den Schöpfergott nicht in ihrer Welt erahnen. 
Der Orientierungssinn soll sie verlassen -
als Menschen ohne Gott sollen sie zu taumeln beginnen -
Ihre gestörte Wahrnehmung soll ihnen den Weg zu Gott, die Umkehr 
unmöglich machen - Verstocke das Herz dieses Volks ...“
Harte Worte eines empfindsamen Gottes.
Ihm ist die Sympathie für sein Volk abhanden gekommen, 
der Geduldsfaden gerissen, das Maß übergelaufen ...?
Sein Volk war nicht heilig, sein Volk machte ihm Verdruß.
Nun sollen sie so weiter machen bis sie es merken, oder doch nicht merken?
Sollen so weiter machen bis zur Katastrophe, bis der Herr die Menschen 
weit wegtun muß, bis nur noch ein Stumpf bleibt.
Mein Gott, was für ein Auftrag.!
Jesaja ist Mensch, wie soll er so einen Auftrag ausführen?
Seine Seele ist sehr erschrocken, „Ach Du, Herr, wie lange?“
„Wende dich, Herr!“ - Gib den Menschen eine neue Chance.
„Warum ziehst du deine Hand zurück?“
„Herr, Gott Zebaoth, wie lange willst du zürnen?“
„Herr, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; laß leuchten dein Antlitz,
so genesen wir.“ (Ps 80) „Worauf wartest du?“
Gott wartet tatsächlich, 
er wartet in die Zeit hinein, - er wartet und waltet unsichtbar.
Gott geht nicht weg, er bleibt treu - trotz allem.
Gott gehört die Erde und was sie erfüllt.

Im Buch Hiob wird die Geschichte 
von einem unschuldig Leidenden erzählt. 
Ein Mensch tritt vor Gott und klagt ihn an, 
er versteht sein Leiden nicht, das er erleben muß,
obwohl er tadellos gottesfürchtig gelebt hat.
Das Schicksal dieses einen Menschen, - Hiob -,
läßt Gott nicht ruhen, er muß sich zeigen und
Antwort geben. 
In der Zeit Jesajas geht es um ein ganzes Volk, Arme und Reiche,
König, Priester und Bettelmann, Weinende und Lachende -
Schuldig gewordene und Unschuldige, Frauen und Kinder.
Zu ihnen kommt Jesaja mit einer provozierenden Gottesbotschaft,
die das Gegenteil von dem bewirken soll, was Gott aufgetragen hat.
Sie sollen sehen, hören und mit ihren Herzen verstehen, -
sie sollen umkehren und wieder heil und heilig werden.
Eine provozierende Botschaft an das Volk Israel im 8. Jahrhundert vor Christus

Diese Botschaft hören wir, und wir sollen reagieren.
Es soll nicht so sein, als ob es Jesaja nicht gegeben hätte,
als ob es keine heilige Lade mit den zehn Geboten gegeben hätte,
über die die Serafen Gott gelobt haben:
Heilig, heilig, heilig, ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.
Wir sollen nicht so leben, als ob es Gott nicht gäbe.
In den modernen Zeiten ist die Botschaft vom Gott der Geschichte
schwer vermittelbar - es sieht fast so aus, 
als würde die Botschaft nicht mehr wahrgenommen.

Ich hatte mit einem Sänger begonnen, nun will ich mit einem Sänger schließen.
Peter Maffay sing in seinem Lied „Spiel um deine Seele“ von Gott und dem Teufel.
Der Teufel spielt mit Gott in einer Schachpartie um die Seelen der Menschen.
Gott hat die weißen Steine, der Teufel natürlich die Schwarzen.
„Spielen wir Schach/ Eine Runde / Weil ich stärker bin als du/
Nur eine Schachpartie/ Um die Welt, nicht mehr/ Um die Lebenden für mich/
Die Toten lass´ich dir.“ 
„Weiße oder schwarze Steine/ die Nacht oder das Licht/ Wer hat die Macht?“
Es geht Zug um Zug. Die Zeituhr wird gestellt.
Wenn der Teufel schlägt, dann erstarrt die Welt.
Der Schwache wird gejagt. Das  Unrecht akzeptiert. Und die Wahrheit wird verdammt.
Einfach so - ungeniert.
Doch Gott spielt sein Spiel. Dem Teufel wird kalt. 
Gott, der Schöpfer und Erlöser spricht:
Zehn Steine mußt du schlagen, denn ich - ich hab sie gemacht.
Ich bin das Licht und ich bin die Macht.“
In diesem Peter Maffay-Lied kommt etwas von der Heiligkeit Gottes über.
Ich mußte lachen, als ich verstand, was die zehn Steine bedeuteten, 
die der Teufel erst einmal schlagen muß, um an die Macht zu kommen:
Es sind die Zehn Gebote. Die Zehn Gebote, die in der Bundeslade lagen 
und über denen Gott, der Heilige Israels, in der Berufungsszene des Jesaja thronte.
Diese Bundeslade mit den steinernen Tafeln exsistiert nicht mehr,
doch die Zehn Gebote sind uns Menschen ins Herz geschrieben.
AMEN

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