Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


Predigten       Meditationen       Agenden       Religionen     Home        
                                                 

 

9.Mai 1999 - Rogate - Lk 11,5-13
Susanne Jensen

Gnade sei mit euch  und Friede von Gott, unserem Vater, 
und dem Herrn Jesus Christus.
Liebe Gemeinde! 
Ich möcht uns allen heute Mut machen mehr zu bitten.
Denn das Bitten verbindet, Menschen kommen sich näher
und sehen sich ins Angesicht.

Der Bittende gerät aus seiner Vereinzelung, seiner Burg.
Ich brauche niemanden bitten - bedeutet Isolation.
Wenn ich nicht bitten würde, dann würde ich mir einfach nehmen,
was ich bräuchte.  
Ich würde machen, was ich wollte,
und käme in eine Haltung meinen Mitmenschen gegenüber,
die mich in vereinsamende Rücksichtslosigkeit triebe.
Wir spüren an allen Enden, daß es in unserer Gesellschaft
kälter zugeht, - der Solidaritätsgedanke ist dem Einzelkämpfertum
gewichen.  Zukunftsängste schnüren uns oft genug die Luft ab,
lähmen und machen handlungsunfähig.
Eine Bitte ist oftmals eine Störung.
Dies macht das Gleichnis vom bittenden Freund deutlich.
Er kommt mitten in der Nacht, 
seine Bitte bedeutet Unruhe, erzeugt Widerwillen.
Wenn die Tür schon verrammelt ist, soll sie auch verrammelt bleiben.
Da könnte ja jeder kommen - jeder könnte kommen -
an der Tür steht ein Freund, der um Brot bittet für seinen Freund.
Es geht um gemeinschaftstiftendes Brot.
Der Gebetene gerät in einen Konflikt.
Eigentlich will er dem da draußen nicht öffnen, denn
das ist ganz schön unverschämt, was der macht.
Er fühlt sich bedrängt und gibt dem Druck nach.
Bitten unter Freunden - zur Unzeit, manchmal geht es nicht anders.

Wie schmeckt eine Bitte
Wie leicht oder schwer ist eine Bitte
Welchen Geruch hat sie
Wie alt ist sie
Wieviele Menschen haben sie schon ausgesprochen
Die Bitte
um Nähe  zu Dir, Vater unser im Himmel

Bitten fällt oft schwer
Man könnte ja auch versteckt bitten,
so daß es nicht so laut und aufdringlich wirkt.
Manchmal ist es uns auch peinlich,
denn wir haben oft Bilder von Menschen vor uns,
die Bitten - Flehen nötig haben. 
Dann tun wir uns schwer  die bittende Frage zu stellen.
Sie steck wie ein Kloß im Hals.
Situationen der Schwäche und Unsicherheit bleiben lange in Erinnerung.
Leicht könnte sich bei uns einprägen,
daß nur der Schwache bittet - 
daß er seine Augen zu einem Höheren aufhebt  und sich darin verliert.

Wer sagt, daß nur der Schwache sich mit seinen Anliegen an andere wendet?
Ist es nur der Schwache? - oder ist es ein Zeichen von Schwäche?
Ich will Dir Mut machen, sagt Jesus:
Hau auf den Tisch und bitte
Klopf  kräftig an die Tür,
so daß man dein Anliegen auch wahr nimmt
Verlerne das Bitten nicht - du brauchst es.
Es tut gut den Bitten nachzuspüren,
die sich in deinem Herzen ansammeln.

Muß man im Leben lernen,
wo man seine Anliegen anbringen darf?
Wo die  Bitten hingehören
Ist Bitten überall angebracht?
Auf der Ebene menschlicher Begegnungen könnte doch Vieles seinen Ort haben,
gerade auch deswegen, weil wir uns als Menschen nahe sind,
als Geschöpfe Gottes  vor Gott.
Wie sehen unsere Beziehungen aus?
Sind sie gekennzeichnet von geschöpflicher Nähe
von Wärme und Gefühl,
Freundschaftliche Gefühle mit einladendem Charakter,
oder haben Distanz und Autonomie eine größere Rolle.
Grenzen setzen - Distanz wahren - das Eigene behalten
sogar in den eigenen Familienbeziehungen
zwischen Eltern und Kindern und zwischen Eheleuten
ist das Zeitalter der Selbstbestimmung, angebrochen.
Es gibt ein Maß - so weit darf man gehen,
so nahe darf uns der Bittende kommen.
Unser Inneres könnte sonst Schaden nehmen.
Es ist schwierig die Balance zu wahren,
wie nahe uns Bittende kommen dürfen,
wie nahe   wir sie an uns heranlassen, 
und wie wir dann auf die Bitte angemessen reagieren.
Gefühle spielen dabei eine elementare Rolle.

Geschöpfe begegnen sich, können sich die Hand geben,
und Notwendendes übergeben.
Wie ist das Bitten  Gott gegenüber?
Die Bitten an Gott - zu Gott hin
können Not wenden, unsere eigene Not,
und die Not derer, für die wir beten. -
Wie ist es, wenn wir gar von Gott gebeten werden?
Beides geschieht in der von Gott geschaffenen Welt.
Gott steht in Beziehungen - 
er ist das Gegenüber schlechthin.
Gott ist Gebetener und Bittender.

Wir sollten damit rechnen, daß Gott uns in unserem Leben begegnen will,
daß er Gestalt annimmt und nach unseren Händen greift,
daß seine Augen bittend zu uns aufschauen.
Ja, Gott in Gestalt eines Bettlers
Gott in Gestalt eines Kriegsflüchtlings
Gott in Gestalt eines Verhungernden
Wir wissen darum, unsere Gewissen sagen es uns.
Dann öffnen sich unsere Hände zu warmen Geberhänden,
die Gott mit Freuden umgreift, weil wir mit unseren Gaben
Platz schaffen für Gottes Reich - für sein Kommen.
Unser Geben wird begleitet von Gebeten.

Wir können nicht anders,
wir müssen beten um den Weg Gottes zu bereiten.
In dem Zutrauen, daß unsere Gebete,
unser flehendes Bitten, unser Betteln um Frieden,
bei Dir, Gott, ankommen,  kommen wir zusammen, beten und hoffen
Beten und hoffen in vielen Gottesdiensten,
und bei den Ökumenischen Friedensgebeten in St. Nikolai,
Donnerstags um 18 Uhr und Samstags um 13 Uhr
Es geschieht dort etwas, - bewegende und bewegte Fürbitten füllen den Raum,
Kerzen werden angezündet  und brennen eine Weile.
Unsere Gedanken sind bei den geschundenen Menschen,
unsere Fürbitten klingen wie ein einziger Aufschrei gegen das Töten.
Wir können nicht anders,
wir müssen beten für die Menschen, die auf steinigen Boden treten,
und denen alles zerbicht.
Die das Geliebte im Hinterland lassen mußten.
Rauchfahnen sprechen vom unwiederbringlichen Augenblick
Letzte Umarmung, warme Berührung einer streichelnden Hand
Die Wände des Hauses boten Halt für einen Obstbaum
Die Treppen führten zu Familien
Es bleiben kalte Gerippe - Logik des Krieges und der Vertreibung
Füße wollen tanzen und nicht im Staub marschieren
Kinder wollen lachen und nicht um Väter weinen
Menschen wollen ihre Lieben bei sich wissen
und keine Gräber suchen.
Gott, auf staubiger Straße gehst du mit,
müde Füße werden von dir gesehen,
Wunden von dir wahrgenommen.
Gott, gib Kraft im Fliehen. ...

Jesus ist ein Könner im Bitten
besser ein Bitt-Spezialist
Er hat in der Nähe Gottes Bitten vorgebracht
Hautnahe Bitten, Bitten, die ums Ganze gehen.
Er hat förmlich sich selbst vor Gott hingeworfen
wie eine große Bitte für uns alle
Im Bitten ging es Jesus
zumeist um seine Mitmenschen
Für sie hat er sein Inneres Gott gegenüber geöffnet
um Gott zu bitten für uns
Er war sich nie zu Schade um zu bitten

Seine Jünger haben ihn, den Bitt-Spezialist, gefragt,
wie sie es anfangen sollen  mit dem Bitten und Beten:
„Herr, lehre uns - gib uns eine klare Handlungsanweisung.“
 Jesus antwortete:
„Sprecht einfach:
Vater! Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme. Unser tägliches Brot gib uns Tag für Tag
und vergib uns unsere Sünden; denn auch wir vergeben allen,
die an uns schuldig werden. Und führe uns nicht in Versuchung.
So könnt ihr es anfangen. 
Diese Worte tragen viele Wünsche zu Gott,
es sind elementare Bitten, offene und nicht abschließende Bitten,
sie können fortgeführt werden, so wie es gefühlsmäßig
erforderlich ist.

Sprecht einfach,
aber sagt ihm, was euch drückt, was ihr empfindet.
Öffnet getrost euer Herz  und kostet die Bitte aus.
Denn auf eure ehrlichen Gefühle kommt es an,
die braucht niemand vor Gott zu verstecken, -
die Gefühle gehören zum Leben und Beten dazu.
Beten mit Gefühl,
Bitten in Beziehungen.
Der störende Freund hatte Erfolg.
Freudig trug er gemeinschaftstiftendes Brot in seiner Tasche nach Hause.
Nun würde sein Freund etwas zu essen bekommen.
Ein Zeichen von Leben - gestiftetes Brot in der Nacht.
„Vergelts´ Gott, - der Friede sei mit dir.“ hörte er sich noch sagen.

Wie schmeckt eine Bitte
Wie leicht oder schwer ist eine Bitte
Welchen Geruch hat sie
Wie alt ist sie
Wieviele Menschen haben sie schon ausgesprochen
Die Bitte
Um Nähe zu Dir, Vater unser im Himmel.   AMEN

Ideen und Mails