Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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29.Oktober 2000 - 19.Sonntag nach Trinitatis - Jakobus 5,13-16
Vikarin Susanne Jensen

Liebe Gemeinde!

Jakobus, 
ein Knecht Gottes 
und des Herrn Jesus Christus,
wie er sich selbst am Anfang seines Briefes nennt,
dieser Jakobus schreibt Ende des 1.Jahrhunderts 
seinen Brüdern und Schwestern in einer 
syrischen Gemeinde.

In dem Brief gibt er seinen Adressaten
eine Menge guter Ratschläge,
die durchgängig die Glaubenspraxis
in unterschiedlichsten Lebenslagen betreffen.

Seine Lebensweisungen klingen kraftvoll,
glaubensstark und auf die Tat hin ausgerichtet.
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Knapp zweitausend Jahre später liegt uns 
der Brief vor - sind Verse aus ihm 
Predigttext des heutigen Sonntages.
Also, Jakobus schreibt:

Leidet jemand unter euch,   der bete;
ist jemand guten Mutes,    der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank, 
der rufe sich die Ältesten der Gemeinde,
daß sie über ihm beten 
und ihn salben mit Öl 
in dem Namen des Herrn.

Und das Gebet des Glaubens 
wird dem Kranken helfen,
und der Herr wird ihn aufrichten;
und wenn er Sünden getan hat, 
wird ihm vergeben werden.
Bekennt also einander eure Sünden 
und betet füreinander, daß ihr gesund werdet.
Des Gerechten Gebet vermag viel, 
wenn es ernstlich ist.

Worum geht es dem Jakobus?

Es geht ihm ganz praktisch 
um den Umgang mit kranken Menschen,
Menschen die daniederliegen,
Schmerzen haben - krank sind.

Was kann geschehen neben 
einer medizinischen Versorgung?

Was gibt es neben dem leiblichen Wohlbefinden,
den absolut notwendigen Dingen?

Ja, was gibt es neben den professionellen Handgriffen 
der Pflege und Behandlung?

Nicht nur die berufsmäßigen Helfer
sollen helfen kommen.

Der Kranke ist auch neben seinem Kranksein
Gemeindemitglied, er ist Christ 
und als socher gerät er ins Blickfeld.
Er wird angesprochen und gesucht.
Darin zeigt sich christliche Geschwisterlichkeit.

Ja, der Kranke soll sich 
nach Jakobus auch suchen lassen.
Er soll sich bemerkbar machen.
Nicht im stillen Kämmerlein vor sich hinleiden,
sondern er soll Aufhebens machen von seiner Krankheit.

Jakobus schreibt:
Wenn jemand von euch krank ist,
soll er die Ältesten von der Gemeinde zu sich rufen,
damit sie für ihn beten, 
ihn im Namen des Herrn segnen
und ihn mit Öl salben.

So eine Szene ist wohl in der heutigen Zeit
eher selten - daß Gemeindeälteste im Trupp 
zu Kranken nach Hause oder ins Krankenhaus kommen
und ganz selbstverständlich zu beten anfangen.

Der Pastor kommt schon mal,
oder Damen vom Besuchsdienst der Gemeinde.
Das sind dann vorsichtige Besuche
mit viel Rücksichtnahme, Schweigen und Hören.

Jedenfalls gehen die Besucher von der Gemeinde
nicht mit der Bibel unterm Arm auf die Kranken los
und hauen ihnen Bibelsprüche um die Ohren.

Kranke sollen nicht erschlagen werden,
stumm gemacht werden mit der Bibelbotschaft.

Also besser: 
Rücksichtnahme, Schweigen und Hören!
Dezent christlich handeln.

Denn es ist gar nicht so einfach,
passende Worte zu finden,
tröstende christliche Worte -
Worte, die Leiden und Schmerzen aushalten
und nach gelebtem Mitgefühl schmecken -
einfach echt schmecken.

Mitten hinein in ein Seufzen ...
ein Wort vom starken Gottvertrauen ...

Das kann dem Leidenden sehr weh tun,
wenn ihm gerade sein letztes Vertrauen
durch die Hände geronnen ist,
wie trockener Sand.
..................................................
Ich lese Jakobus nochmal, 
seine Verse zum Umgang mit Krankheit:
Leidet jemand unter euch, der bete ...
und etwas weiter: ... das Gebet des Glaubens 
wird dem Kranken helfen,
und der Herr wird ihn aufrichten.

Er wird ihn aufrichten -
daraus klingt Zuversicht.

Diese Zuversicht begegnet uns auch 
im Wochenspruch aus dem Buch Jeremia:
Heile du mich, Herr, so werde ich heil;
hilf du mir, so ist mir geholfen.

Der eine Halbvers ist schon ein kurzes Gebet!
Vom Kranken gesprochen -
vielleicht sogar hinausgeschrien:
Heile du mich, Herr, so werde ich heil ---

Oder nur noch: Heile du mich, Herr ---

Das rührt an --- so ein Herzenswort
unter Tränen gesprochen - gebetet - 
will und soll in seiner Schlichtheit gehört werden.
...........................................
Die Bibel ist voll
von Gebeten Leidender.

Diese Texte haben einen anderen Klang,
als Dank- und Loblieder, logisch.
Sie haben Platz für negative Gefühle.
Zwischen den Zeilen spürt man förmlich 
Schmerzen und Angst hindurch.
Eindringlich wenden sich die Beter an Gott,
und bringen ihre Klage vor.

Dem Leidenden ist es erlaubt,
seine Angst, seine Unsicherheit und
Ohnmachtsgefühle hinauszuschreien -

Wer du auch bist - 
kranker Mensch - in deiner Not
leide nicht still - tu es nicht
verberge deine wahren Gefühle nicht,
als ob du sie nicht haben dürftest,
aus Rücksichtnahme,
damit die Menschen um dich herum - deine Umgebung -
keine unguten Gefühle bekommen -
keine Beklemmungsgefühle.

Bete deine Klage an Gott,
so wie du fühlst.

Rücksichtnahme des Leidenden
ist nicht immer möglich und nötig.
Gerade dann, wenn die Schmerzgrenze überschritten ist,
wenn der Angstschrei mühsam unterdrückt werden muß,
dann tut es gut -
wenn die Gefühle sein dürfen.
...............................................
Wenn einer unter euch leidet,
dann sage er es - 
dann klage er es aus sich heraus!
Die, die dann kommen,
seien es Älteste, oder wer auch immer
aus der Gemeinde Jesu Christi, 
sollen dich hören und mit dir beten. 
So lautet der christliche Auftrag.

Jedenfall ist es die Hoffnung,
das Krankenbesucher einen Leidenden in seinem Leid
aushalten und bereit sind ihm zu folgen -
ihn ein Stück zu begleiten - zu tragen.

Daß sie zu dem Kranken sagen:
Ich ertrage dich - ich ertrage deine Klage - ich höre sie!
Das ist die Hoffnung.

Meine Hoffnung, daß ich das kann
in der konkreten Situation:

Ja, ich trage deine Klage mit zu Gott, 
dem Herrn des Lebens,
dem Herrn über Leben und Tod.

Ich will Dir zuhören
und ich will deine Klage tragen.
Ich bete darum, daß ich es kann -
---------------------------
Die Klage eines Leidenden aushalten, 
nicht davonlaufen.
Ich erinnere mich an einen Mitpatienten im Krankenhaus.
Er zeigte mir ein Bild, das er gemalt hatte: 
Darauf war ein Ertrinkender zu sehen.
Er selbst war der Ertrinkende -
 
Er sprach von seinen Gefühlen 
seiner Hilflosikeit in beklemmenden Worten.

Mir, als Theologin fiehl sofort der 69.Psalm ein: 

Gott, hilf mir, 
denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
	Ich versinke in tiefem Schlamm,
	wo kein Grund ist;
ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.
	Ich habe mich müde geschrien,
	mein Hals ist heiser.
Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich solange harren muß auf meinen Gott.

Ich gehe soweit, 
mit Jakobus sozusagen als Gewährsmann,
zu behaupten: die Klage hilft - hilft heilen -
die Klage hat therapeuthische Wirkung.
Die Klage ist der erste Schritt zur Heilung.

Etwas von Gott verlangen
Die Stimme erheben
Nicht ablassen
Die Richtung beibehalten ...
denn er ist der richtige Adressat
.....................................................
	ich aber bete zu dir, Herr,
	zur Zeit der Gnade ...  	Ps 69

So heißt es mitten im 69.Psalm, dem zitierten Klagepsalm.
Da ist der Umschwung deutlich -
Das Gebet reißt nicht ab
Gott läßt den Leidenden nicht allein

Da hat die Klage geholfen 
wie ein tiefer langer Seufzer

Und ich fange an zu beten
in dir, Gott - zu dir, Gott
Du - mein Gott -

Du bist meine Warft
meine Zuflucht inmitten des Meeres
Du leitest mich, wenn ich Watten durchziehe,
und bei aufkommenden Nebel
läßt du mich nicht aus den Augen.

Du läßt mich immer wieder heimkehren
um deines Namens willen.
Und wenn von Nordwest
des Todes gewaltige Fluten kommen
und die kleine Hallig überwinden,
fürchte ich mich nicht,
denn du bist meine Warft,
mein Schutz im Brüllen der Wogen.        

AMEN

Ideen und Mails an: webmaster@comtheo.de