Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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19. September 1999 - 16. Sonntag nach Trinitatis - 
Klagelieder 3,22-26.31-32
Susanne Jensen

Liebe Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Nacht ist voller Sterne -

Voller Funkelnder Sterne, 
die uns den Weg weisen wollen.
Wir wissen von den Sternen
und wir wissen von der Nacht.

Die Verse, die ich ihnen jetzt noch einmal vorlese
aus dem Buch Klagelieder, sind Sterne in der Nacht:
Die Güte des Herrn ist´s, daß wir nicht gar aus sind,
seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,
sondern sie ist alle Morgen neu,
und deine Treue ist groß.
Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele;
darum will ich auf ihn hoffen.
Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt,
und dem Menschen, der nach ihm fragt.
Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein
und auf die Hilfe des Herrn hoffen.
Denn der Herr verstößt nicht ewig;
sondern er betrübt wohl
und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Leuchtende Worte von der Güte, Barmherzigkeit
und Treue Gottes. - Sterne in der Nacht!
Worte, die in unsere Herzen dringen und
unsere Gemüter hell machen wollen. 

Hören wir nun einfach mal, 
wie es so drum herum klingt,
was der alttestamentliche Beter zuvor ausspricht:
Ich bin der Mann, der Elend sehen muß
durch die Rute des Grimmes Gottes.
Er hat mich geführt und gehen lassen
in die Finsternis und nicht ins Licht. ...
Er läßt mich den Weg verfehlen,
er hat mich zerfleischt und zunichte gemacht.
Er hat mir seine Pfeile in die Nieren geschossen.
Er hat mich auf Kiesel beißen lassen,
er drückt mich nieder in die Asche.
Meine Hoffnung auf den Herrn ist dahin.
Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen bin ...
Ja, Du wirst an mich denken, 
meine Seele sagt´s mir.
Der Beter spricht aus dem Elend heraus.
Um ihn herum ist Elend.
Und er sitzt auf der Asche.
Die Klagelieder sind entstanden in der Anfangszeit 
des Babylonischen Exils. 
Jerusalem liegt zerstört und
vom Tempel sind nur noch Trümmer übrig.
Nebukadnezars Schergen haben mit dem 
Südreich Juda 586 vor Christus gar aus gemacht.
Viele Menschen sind umgekommen,
viele wurden in die Fremde deportiert.
Die Übriggebliebenen fassen sich ans Herz,
schlagen sich in Trauer und
zählen ihre Knochen.

Klagelieder sind Worte in der Nacht gesprochen.
Einer vom Volk klagt -
er verstummt nicht -
er leiht seine Stimme den Stummen.
Der übriggebliebene Beter betet,
und es geschieht etwas.
Wir können genau hören, was geschieht:
Meine Hoffnung auf den Herrn ist dahin.
Wenige Verse danach heißt es:
Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele;
darum will ich auf ihn hoffen.
Faszinierend, ja unglaublich -
ein abrupter Sinneswandel.
Es ist als ob ein Mensch in ein dunkles Zimmer geht
und Licht einschaltet. 
Die Dunkelheit ist mit einem mal weg. 

Der klagende Beter spricht aus einem 
bestimmten Bewußtsein heraus:
Er hat Gott über sich,
und er weiß, daß es etwas bringt zu warten.
Seine Seele hofft, harrt, fragt - geduldig.
Ja, der Beter der Klagelieder,
ist ein penetranter Beter, er läßt sich nicht abschütteln,
er bleibt an Gott - betet, klagt und ruft ihn herbei.
Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen bin ...
Gedenke doch, du Herr der Welt
du Schöpfergott, denke an deinen Bund,
denke an Tag und Nacht!
Ja, Du wirst an mich denken, 
meine Seele sagt´s mir.
Das Leiden wird nicht einfach weggewischt,
es bleiben im Gedächtnis Gottes.
Gott weiß um die Leiden der Menschen,
er leidet mit.

Wir sind angewiesen auf Gottes Mitleid,
auf seine Treue und Barmherzigkeit.
Wir sind angewiesen, das ist so.
Darum kommen wir und beten zu ihm,
dem Herrn der Lebenden und Toten.
Seine Güte ist´s, daß wir nicht gar aus sind,
und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende.
Unser Angewiesensein - unsere Abhängigkeit -
erzeugt oft widersprüchliche Gefühle.
Diese Gefühle rühren aus unserer
Gotteskindschaft her.
Wir, die Kinder und Gott, der Übervater.
Wir sollen ihm danbar sein,
Wir sollen Gott danken,
Wir dürfen ihn, wenn´s hochkommt, um etwas bitten,
aber wir dürfen nicht klagen.
Man kann nicht klagen.
Klagen ist nicht fein. 
Derjenige, der vor Schmerzen klagt,
versteckt sich.
Die Klage verschwindet im dunklen Zimmer.

Die Klagelieder zeigen mir,
wie gut und notwendig es ist zu klagen.
Gott will ja doch unser Leben mit uns teilen.
Sein Herz ist uns zugewandt.
Gott sucht uns.
Und wir können,
wo wir stehen und gehen,
Gott unser Herz ausschütten.

Ich habe Gebete in dunklen Stunden,
von Sabine Naegeli gefunden.
Mit ihren Worten bete ich für mich und dich:

Soviel Verfinsterung
auf dieser deiner Welt,
mein Gott,
mehr oft
als zu ertragen
in unserem Vermögen steht.
Nachtwanderer sind wir,
gefährdet allemal,
der Dunkelheit
uns ganz zu übereignen,
nicht mehr zu gewahren
die tröstlichen Zeichen
um uns her.
Doch dürfen wir´s verschweigen?
Die Nacht ist voller Sterne!
Geschieht´s nicht mitten in der Nacht,
daß ein Unglücklicher
ein verstehendes Herz findet?
Daß ein Leidgeprüfter einwilligt
in sein Geschick?
Daß Schuld Verzeihung empfängt
und einer seinen Gott lobpreist
im Dunklen?

Verhalten noch
steift uns
der Widerschein des Ewigen,
doch stark genug,
uns heimzuleuchten,
die nachtwunde Seele
zu trösten.

Nur einen Spaltbreit
öffne uns die Tiefe,
daß uns zu Herzen dringe,
was die Nacht erhellt,
und wir getroster 
weitergehen.
AMEN

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